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Ich verlange von der Stadt, in der ich leben soll: Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst

(Karl Kraus)

 

Von Hartmut Häußermann und Walter Siebel. Professoren für Stadt- und Regional-Soziologie an den Universitäten Bremen und Oldenburg, erschienen in der Wochenzeitschrift "Die Zeit" Anfang der 90iger Jahre.

 

 

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Die Zerstörung der biologischen Grundlagen menschlicher Existenz ist eines der zentralen Zukunftsprobleme. Ob die Grenzen schon überschritten sind oder wann der Point of no return erreicht ist, vermag niemand genau zu sagen. Ebenso komplex wie die Wirkungsketten die zu ökologischen Schäden führen, sind die Ursachen dafür. Über den industriellen Raubbau an Naturbeständen wie über die immer noch zunehmende Erzeugung und Verwendung von giftigen Stoffen gibt es seit langem eine breite öffentliche Diskussion.

 

In den letzten Jahren sind auch Wohnungs- und Städtebau in die Kritik geraten, nicht nur aus der Richtung eines traditionell großstadtfeindlichen naturbewahrenden Denkens, sondern auch aus der Perspektive moderner Umweltwissenschaften. Zersiedlung und Flächenverbrauch, Müllhalden, Grundwasserprobleme und Luftverschmutzung sind zu scheinbar unbewältigbaren Problemen geworden. Die Siedlungsweise, ja die ganze Art zu leben und zu wohnen, werden als Bedrohung des Überlebens in Frage gestellt.

 

Eine neue Generation von Architekten und Stadtplanern wird zu Experten der Bau- und Stadtökologie ausgebildet. Dies ist wichtig und gut so, denn viele Konsequenzen eines uninformierten und bedenkenlosen Umgangs mit Baustoffen und Bauformen hätten sich vermeiden lassen oder könnten rückgängig gemacht werden, wenn ökologische Gesichtspunkte eine ebenso große Bedeutung beim Planen hätten wie ästhetische oder technische. Die Hoffnung auf eine rein technische Lösung der ökologischen Probleme, die durch die Stadtentwicklung verursacht werden, trügt jedoch. Ökologische Probleme - das ist die erste These - verlangen weitreichende Veränderungen der städtischen Lebensweise. über diese Veränderungen muß - das ist die zweite These - nach einem Bild vom richtigen, humanen Leben entschieden werden. Denn die Natur sagt allenfalls, daß es so wie bisher nicht weitergehen kann, sie erspart aber niemandem die ethischen und politischen Entscheidungen darüber, wie es weitergehen soll.

 

Im Gegenteil, das ist die dritte und zentrale These: ökologische Probleme werden diese Entscheidung erschweren. Die Natur setzt der Überlebensfähigkeit des Menschen in der Tat Grenzen - und für die Natur ist es immer schon herzlich gleichgültig gewesen, ob sie an diesen Grenzen scheitert oder sie überwindet. Aber - und das ist das entscheidende, qualitativ Neue der ökologischen Problematik: heute muß das Überleben der Menschheit nicht mehr allein in der Auseinandersetzung mit der Natur, sondern auch gegen die Menschen selbst, gegen ihre Kultur gesichert werden. wenn das so ist, dann können ökologische Maximen aber auch in Konflikt geraten mit den positiven, den emanzipatorischen Gehalten der Kultur. Denn eben jene Elemente städtischer Lebensweise, die die biologische Existenz bedrohen, sind mit alten Hoffnungen auf die Befreiung von mühseliger Arbeit und Zwängen verknüpft.

 

Dieser Konflikt zwischen Emanzipationsinteresse und Überlebensinteresse ist keineswegs aufhebbar. Zuvor aber muß er offengelegt und diskutiert werden. Nur wenn es gelingt, ein neues, identitätsstiftendes Bild von städtischer Kultur zu formulieren, in dem das Streben nach einem angenehmen Leben mit den Grenzen seiner natürlichen Grundlagen versöhnt ist, kann das ökologisch Notwendige auch politisch machbar, mehrheitsfähig werden.

 

Die städtische Lebensweise ist ein Triumph über die Abhängigkeit des Menschen von der Natur. Lebensweisen erscheinen um so städtischer, je weniger sie von Zeitrhythmen der Natur diktiert, und je weniger sie von natürlichen physischen Bedingungen abhängig sind, Aber die Herrschaft über Natur und die städtische Lebensweise als Ausdruck der Unabhängigkeit von Natur produzieren Folgen, die die Fortexistenz der Menschheit selbst in Frage stellen. Diese Lebensweise, so scheint es, zerstört ihre eigenen Grundlagen. Die Natur, auf der die Stadt als künstlichste aller We1ten errichtet ist, hält sie nicht mehr aus.

 

Was heißt das für Stadtentwicklung und Stadtpolitik? Muß damit die Biologie zur neuen Leitwissenschaft der Stadtplanung werden? Kann sie das unbezweifelbare, wissenschaftlich fundierte Leitbild formulieren?

 

Gerade an Fragen der Stadtentwicklung läßt sich zeigen, daß ökologische Probleme soziale Ursachen haben, daß also zu ihrer Lösung auch soziale Veränderungen notwendig sind. Über Richtung und Art dieser sozialen Veränderungen entscheiden nicht allein Notwendigkeiten der Natur. Es sind vielmehr im Kern politische Ziele und kulturelle Normen, nach denen zu entscheiden ist, wie eine ökologisch verantwortliche Lebensweise beschaffen sein soll. Die an die äußersten Grenzen ihrer Belastbarkeit getriebene Natur zwingt eben nicht dazu, bei Strafe des Untergangs alle anderen als ökologischen, also politischen und ethischen Überlegungen zurückzustellen.

 

Durch das Menetekel der ökologischen Katastrophe sind zwar negativ Grenzen für die Fortentwicklung dieser Kultur gesetzt, aber daraus ergeben sich keine positiven Hinweise, in welcher anderen Kultur die Menschheit menschenwürdig überleben soll. Eine Antwort auf die ökologische Überlebensfrage kann von der Naturwissenschaft letztlich nur negativ gegeben werden: so jedenfalls nicht weiter; aber wie es weitergehen soll, bleibt eine Frage nach dem Bild vom richtigen Leben, nach politischen und sozialen Werten, also nach Kultur. Dies lässt sich am Naturbegriff zeigen.

 

Natur ist evolutionärer Prozeß, der sich in durchaus katastrophischen Sprüngen vollzogen hat, wie sie die Entstehung des Sauerstoffs oder das Werden und Vergehen von Millionen von Arten des Lebens begleitet haben, lange bevor der Mensch eingreifen konnte. Es gibt nicht jene natürliche Ordnung, aus der sich unbezweifelbare Maximen richtigen Handelns gewinnen ließen - unbezweifelbar, weil jenseits menschlicher Subjektivität und jenseits des Pluralismus der Interessen begründbar.

 

Die Vorstellung vom ewigen Kreislauf der Natur, an dessen Gesetze die Menschen sich in Demut anzupassen hätten, taugt allenfalls zur Begründung eines ökologischen Autoritarismus, dessen Gefährlichkeit darin läge, daß er selber nirgends Grenzen finden würde. Die Vorstellung von natürlichen Gleichgewichtszuständen, aus denen sich praktische Normen ableiten ließen, hat etwas Entlastendes gegenüber den Interessenwidersprüchen und politischen Konflikten der Gesellschaft. wahrscheinlich liegt darin auch ihre Attraktivität. Aber diese Vorstellung ist eine Fiktion. Die Vorstellung von Natur als selbstgesteuertem System, das erst durch den Schädling Mensch aus dem Gleichgewicht geworfen wurde, ist allenfalls halb wahr, bezieht man es auf eine Natur vor dem Eintritt des Menschen. Sie ist falsch, überträgt man diese Vorstellung auf Mensch-Umwelt-Systeme.

 

Seit Beginn der menschlichen Geschichte gibt es keine Umwelt des Menschen mehr, die nicht immer schon menschlich gestaltete Natur wäre. Marx hat davon gesprochen, daß Natur für sich, unabhängig von menschlicher Arbeit für den Menschen nichts sei, ein Abstraktum. Und Robert Musil hat das gleiche mit seinem ironischen Vorschlag gemeint, das Lied auf den schönen deutschen Wald doch umzudichten: "Wer hat dich du schöner Wald aufgebaut so hoch dort droben, wohl die Ameisensäuregewinnung (aus der Holzfaser, bei Bedarf aber auch andere Verwendung) will ich loben, so lang noch meine Stimm' erschallt".

 

Der Mensch als Mängelwesen muß Natur bearbeiten. Eine Umwelt, in der der Mensch überleben kann, ist stets kultivierte Natur, Als solche wirkt sie auf den Menschen zurück. Kultivierte Natur bedarf der fortdauernden menschlichen Arbeit, um ihren Zustand als menschenfreundliche Natur zu bewahren. Wie der städtische Park den Gärtner, so benötigt der Wald zwar vielleicht nicht die Ameisensäuregewinnung, aber doch das Forstamt.

 

Das ist eine sehr einfache Wahrheit, aber sie hat weitgreifende Konsequenzen. Wer entscheidet, tut dies niemals allein über eine lebenswerte Umwelt, sondern immer auch über den Menschen, der in dieser Umwelt leben kann und will - und den diese Umwelt zu ihrer Kultivierung voraussetzt: Mit jeder Entscheidung über eine lebenswerte Umwelt wird auch über eine Art zu leben entschieden und zu arbeiten. Sind beispielsweise einmal bestimmte Mengen radioaktiver Abfälle in die Welt gelangt, sind kommende Generationen für Tausende von Jahren gezwungen, sich zumindest Teile unseres physikalischen und technischen Wissens anzueignen und danach zu leben.

 

Im ökologischen System der Beziehungen zwischen Mensch und Umwelt sind beide Pole Produkt menschlicher Geschichte, also prinzipiell variabel, und über die damit eröffneten Möglichkeiten läßt sich nur nach Maßstäben urteilen, die an einem Bild vom gewünschten und nicht an einem Bild vom natürlichen Leben orientiert sind. Ob in unseren Städten mehr Schmetterlinge, Hauskatzen oder Singvögel leben sollen, und ob Menschen als Bauern, Atomtechniker oder Kritiker leben, diese Entscheidung trifft nicht das ökologische Denken - im Gegenteil, es macht sie sehr viel schwieriger. Denn eben jene Elemente der städtischen Lebensweise, die heute die Lebensgrundlagen bedrohen, sind aufs engste verknüpft mit alten Versprechen auf Emanzipation.

 

Dies läßt sich zeigen an den Ursachen des Landschaftsverbrauchs und an den ökologischen Problemen, die durch die heute typische Organisation der Privathaushalte hervorgerufen werden.

 

In der Bundesrepublik wird in einem geradezu erschreckenden Tempo Landschaft als Siedlungsfläche verbraucht. Zwischen 1981 und 1985 sind im Durchschnitt. täglich fast 122 Hektar in Gebäude-, Verkehrs- und sonstige Siedlungsflächen umgewandelt worden. Die zunehmende Versiegelung der Erdoberfläche gefährdet die Wasserversorgung und fördert Überschwemmungen, rückt Natur immer weiter weg von den Städten und verstärkt dadurch den Freizeitverkehr, was wiederum Straßenausbau notwendig macht - ein fataler Kreislauf.

 

Neben der raschen Ausweitung der gewerblich genutzten und für den Verkehr benötigten Flächen wird die Versiegelung durch die Expansion der Wohnfläche vorangetrieben. Die Wohnfläche pro Kopf hat sich in den letzten 30 Jahren auf etwa 35 Quadratmeter pro Person verdoppelt. Das hat vor allem zwei Ursachen: Veränderungen in den Formen des Zusammenlebens einerseits, die spezifische Art und Weise, in der gesellschaftliche Bedürfnisse befriedigt werden, andererseits.

 

Vor allem Städter leben in immer kleineren Haushalten. Der häufigste Haushaltstypus in großen Städten ist heute der Einpersonenhaushalt. 41 Prozent aller Haushalte Hamburgs sind Einpersonenhaushalte. Ein- und Zweipersonenhaushalte zusammen machen in Bremen über 70, in Berlin 80, in Stockholm 90 Prozent aller Haushalte aus. Je kleiner ein Haushalt, desto mehr Fläche beansprucht er: Wenn vier Menschen in einer Wohnung zusammenleben, brauchen sie in aller Regel nur eine Küche, ein Bad und einen Flur. Wenn aber jeder der vier eine eigene Wohnung bezieht, werden diese Räume viermal benötigt.

 

Dazu kommt die Tatsache, daß gesellschaftliche Bedürfnisse überwiegend durch den Kauf von Gütern und Dienstleistungen für den privaten Konsum innerhalb des eigenen Wohnbereichs befriedigt werden. Diese Entwicklung wirkt sich besonders platzfressend aus, wenn sie zur Verdoppelung öffentlicher Infrastruktureinrichtungen führt, wie bei öffentlichem Schienen- und privatem Straßenverkehr oder öffentlichen Schwimmbädern und privaten Swimmingpools.

 

Die Verkleinerung der Haushalte und die Privatisierung der Bedürfnisbefriedigung sind Ursachen für ein paradoxes Phänomen: Die Bevölkerung geht zurück, aber die Wohnfläche dehnt sich weiter aus. Eine Studie der Stadt Frankfurt rechnet mit einem Bedarf zwischen 900 und 1600 Hektar an zusätzlichem Bauland für die nächsten zehn Jahre trotz der Annahme, die Zahl der Einwohner werde im selben Zeitraum um 50 000 abnehmen.

 

Eine ökologisch orientierte Stadtentwicklungspolitik hätte also den Trend zu kleineren Haushalten und zur Privatisierung der Bedürfnisbefriedigung wenigstens zu verlangsamen. Das Zusammenleben in Wohn- und Hausgemeinschaften müßte gefördert werden, ebenso die Verlagerung von Funktionen aus dem privaten Raum der Wohnung ins Wohnumfeld und aus dem privaten Konsum in Einrichtungen zum öffentlichen Gebrauch.

 

Verfolgt man diese Gedanken der gemeinschaftlichen Organisation von Wohnfunktionen weiter, dann stößt man sehr schnell auf politische und kulturelle Grundwerte unserer Gesellschaft: Das private Eigentum und die Abgeschlossenheit und Unabhängigkeit einer privaten Sphäre. Diese Werte sind aufs engste verknüpft mit der Hoffnung auf individuelle Autonomie. Virginia Woolf hat ihrem Buch zur Frauenfrage nicht zufällig den Titel gegeben: ,,Ein Zimmer für sich allein".

 

Die eigene Wohnung als Ort einer privaten Sphäre, in der man, ohne auf andere angewiesen zu sein und weitgehend geschützt von sozialen Kontrollen, sein eigenes Leben leben kann, ist eine zentrale Voraussetzung für die Entfaltung von Individualität. Der Versuch, die Trends zu immer kleineren Haushalten und immer größeren Wohnflächen zu stoppen, kämpft daher nicht nur gegen rücksichtslosen Landschaftsverbrauch, vergnügungs- süchtigen Konsumismus und großstädtische Vereinzelung, sondern auch gegen die historische Errungenschaft individueller Unabhängigkeit.

 

Die urbane Dialektik von Privatheit und Öffentlichkeit ist eine zentrale Bedingung für die Entfaltung von Individualität. Sicher, die emanzipatorischen Versprechen der bürgerlichen Urbanität haben in unseren Städten - wenn überhaupt - in kaum noch kenntlichen Formen überlebt. Aber eine ökologisch begründete Stadtpolitik, die gegen die heutige städtische Lebensweise argumentiert und nicht die in dieser Lebensweise auch angelegten humanen Hoffnungen bewahrt, wäre bloß restriktiv. Und sie müßte scheitern, vielleicht nicht zu unrecht.

 

Ein ähnliches Dilemma ist auch in den Versuchen angelegt, die Stadtbewohner für eine umweltverträglichere Haushaltsführung zu motivieren, also weniger Energie zu verbrauchen, weniger Müll und Gift in Umlauf zu bringen und die Wasserreserven zu schonen. Denn auch diese Ziele sind nicht allein technisch zu bewältigen. Eine ökologisch orientierte Politik wird die Stadt nicht pflegeleichter machen, im Gegenteil: eine ökologisch- verträgliche Stadt- und Bautechnik verlangt mehr Arbeit im Haushalt und vor allem mehr verantwortliches Denken. Damit aber richtet sie sich ebenfalls gegen eine befreiende Dimension der bisherigen Urbanisierung, nämlich die der Entlastung von Arbeit und Verbindlichkeiten.

 

Die Geschichte der Stadt beginnt als Schritt der Emanzipation des Menschen aus der Naturabhängigkeit. Um Städte bilden zu können, mußte die Kultivierung der Natur soweit fortgeschritten sein, daß die Landwirtschaft mehr Menschen ernähren konnte als in ihr arbeiteten. Die Stadt ist die Siedlungsform derer, die aus unmittelbarer agrarischer Produktion freigestellt sind.

 

Entsprechend hat sich die Stadt bis ins 19. Jahrhundert gegen das Land definiert. Sie war der Natur abgerungenes Gebiet. Die Befreiung aus der unmittelbaren Abhängigkeit von Natur war historisch zugleich Befreiung aus der persönlichen Abhängigkeit vom Feudalherren und aus den sozialen Kontrollen dörflicher Familien- und Nachbarschaftsverbände. Die Stadt war der Ort, wo die Mittel der Naturbeherrschung, Wissenschaft und Technik entwickelt wurden.

 

Zugleich war sie der Ort, wo die neugewonnene Unabhängigkeit von Natur gelebt werden konnte. In der Stadt kann man die Nacht zum Tag machen. Die Stadt war immer auch eine Maschine, die den einzelnen davon befreit, den eigenen Kot fortzuschaffen, Wasser am Brunnen zu holen, die Kranken zu pflegen und den eigenen Lebensrhythmus dem Wetter anpassen zu müssen. Sie entlastet von bestimmten Arbeiten und von Verantwortung und gibt dadurch Freiheit für andere, selbstgewählte Aktivitäten im Beruf, in politischen Organisationen oder für Faulenzerei. Das ist die progressive Logik der Technisierung und Rationalisierung der Haushaltsführung, von Le Corbusiers Wohnmaschine und des funktionalistischen Städtebaus.

 

Der städtebauliche Funktionalismus ist dieser Logik im Siedlungsbau, in der Planung der Infrastruktur und bis in die Grundrisse der Wohnungen hinein gefolgt. Dabei orientierte man sich an den Prinzipien der Rationalisierung der industriellen Produktion. Für den Fordismus - abgeleitet aus den vom amerikanischen Automobilproduzenten Henry Ford propagierten Prinzipien der modernen Arbeitsorganisation - schwärmten in den zwanziger Jahren viele Intellektuelle, besonders unter den Architekten. Und sie verbanden damit dieselben Hoffnungen: Technisierung, Arbeitsteilung und Spezialisierung sollten die Produktivität steigern, dadurch den Reichtum vermehren und den Umfang notwendiger Arbeit zurückdrängen.

 

Dieser Perspektive sind Städtebau und Wohnungsplanung bis heute weitgehend gefolgt. Der Umfang der Arbeit im Haushalt wurde dadurch reduziert - den Rest besorgt die Industrie. Der Haushalt wurde zur Durchlaufstation, in den Konsumgüter hinein, aus dem Dreck und Müll herausfließen. Das Leben ist dadurch zwar einfacher geworden, aber die Menschen haben sich unter der Hand zu Schädlingen entwickelt.

 

Um daran etwas zu ändern, muß zum einen der einzelne Haushalt aus dem Geflecht von Großtechnologie und industrieller Versorgung teilweise wieder herausgelöst werden, und zum anderen müssen sich Konsum- und Arbeitsmoral ändern.

 

Eine ökologisch verträgliche Haushaltsführung verlangt zweifellos mehr Arbeit, mehr Verantwortlichkeit und mehr Wissen. Damit kollidiert sie aber mit dem Versprechen der bisherigen städtischen Lebensweise auf Entlastung von Arbeitszwängen und von Verantwortlichkeit.

 

Es ist selbstverständlich geworden, Selbstverwaltung, Eigenarbeit und Selbsthilfe als positive Werte zu begreifen: Je größer die Spielräume der Bewohner sind, ihre Lebensbedingungen selber zu gestalten, desto besser. Zweifellos ist das richtig und human. Aber 5elbstverwaltung ist auch Arbeit, Selbstversorgungsarbeit erst recht, und der Wunsch, davon unbehelligt zu bleiben, ist ein ebenso legitimer Wunsch.

 

Oscar Wilde hat gegen den Sozialismus eingewandt, er koste ihn zu viele freie Abende. Dieser Einwand könnte auch gegen eine ökologische Stadt gewendet werden. Denn im, heute meist verächtlich gebrauchten Begriff der Wohnmaschine, steckt ein legitimer Gegenentwurf zum selbstverwalteten und durch eigene Arbeit unterhaltenen Wohnen: die Stadt als Versorgungseinrichtung zur Entlastung von Arbeit, Unbequemlichkeit und Verantwortung. Karl Kraus hat dies auf die prägnante Formel gebracht: "Ich verlange von der Stadt, in der ich leben soll: Asphalt, Straßenspülung, Haustorschlüssel, Luftheizung, Warmwasserleitung. Gemütlich bin ich selbst."

 

Das Programm der ökologischen Stadt verspricht zwar, in Eigenarbeit und Selbstverwaltung die eigenen Lebensumstände selber zu gestalten und damit sich in ihnen auch zu Hause fühlen zu können. Es verspricht ein neues Verhältnis zur Natur, Selbstbestimmung, Identifikation und also Heimat. Zugleich aber setzt dieses Programm neue Verbindlichkeiten. Die Bereitschaft, diese zu übernehmen, kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden - und wenn sie erzwungen werden soll, bedroht sie zumindest die Attraktivität urbaner Lebensgestaltung.

 

Eine neue städtische Lebensform muß daher die Chance der Entlastung von Arbeit bewahren. Immerhin geht es um eine entscheidende Triebfeder der Urbanisierung: die Hoffnung auf ein Zurückdrängen des Reichs der Notwendigkeit zugunsten des Reichs der Freiheit, wie es Marx als emanzipatorische Perspektive der Entfaltung der Produktivkräfte formuliert hat. Auch an diesem Konflikt kann sich Widerstand festmachen, der die Mehrheitsfähigkeit ökologischer Programme verhindert.

 

Außer den möglichen Konflikten mit den urbanen Dimensionen Individualisierung und Entlastung ist noch eine dritte Ambivalenz einer ökologisch verträglicheren städtischen Lebensweise zu nennen. Sie ist im Unterschied zu den beiden zuvor genannten weniger als möglicher Konflikt zwischen ökologischen Forderungen und emanzipatorischen Versprechen zu begreifen, vielmehr verschärft sie eine Zwiespältigkeit die der Urbanisierung von Anfang an innewohnte. Die Freiheiten des städtischen Lebens, die Emanzipation aus den politischen, sozialen und naturhaften Zwangen des Landes sind nämlich mit neuen Abhängigkeiten, neuen Zwängen, ganz andersartiger Unterdrückung erkauft worden. Das Programm eines ökologisch verträglichen Stadtlebens wird diese Zwänge womöglich verschärfen. "Global denken - lokal Handeln" - ist das Motto der amerikanischen Ökologiebewegung. Es wäre auch die Maxime einer neuen protestantischen Ethik. Wie diese verspricht auch die ökologische Ethik ein besseres Leben: zwar nicht die ewige Glückseligkeit, aber doch Gesundheit und die Vermeidung von Katastrophen. Damit wird ein weiterer Schub im historischen Prozeß der Verinnerlichung von Kontrollen vorausgesetzt.

 

Ein halbwegs wirksames System der Trennung verschiedener Müllsorten setzt neben Wissen vor allem verantwortungsbewußtes Handeln voraus. Wie leicht wirft man eine Batterie in den falschen Eimer, und wie ungern klaubt man sie aus dem Dreck dann wieder heraus, wenn es doch keiner kontrollieren kann. Wieviel Moral muß verinnerlicht sein, damit man der Versuchung widersteht, seine Verpflichtungen mal zu vergessen, das Altöl nicht in die Kanalisation zu gießen, das Holz nicht mit der zwar giftigen, aber doch so bequemen Farbe anzustreichen oder den kranken Nachbarn mal heute nicht zu besuchen und statt dessen ins Kino zu gehen.

 

Die Geschichte der Urbanisierung ist die Geschichte der Entlastung von Verbindlichkeiten. Man kann in Urlaub fahren, weil man keine Hühner und Schweine mehr zu versorgen hat und weil die Alten und Kranken im Altersheim und Krankenhaus gepflegt werden. Zugleich aber ist die Geschichte der Urbanisierung auch die Geschichte der Aufrichtung von Kontrolle und Selbstdisziplin, ein Prozeß der Zivilisation, den Norbert Elias als einen machtgeleiteten Prozeß der Verinnerlichung von Zwängen analysiert hat. Es wurden Scham- und Peinlichkeitsschwellen errichtet, die im Vergleich zu früheren ländlichen Lebensweisen extreme Fähigkeiten zur Selbstkontrolle von körperlichen und psychischen Reaktionen verlangen (Gleichmann).

 

Das Programm einer ökologischen Stadttechnik wird die Schraube dieses Prozesses der Zivilisation weiterdrehen. Neue Schwellen von Scham und ein universalistisches Gewissen müssen in den Menschen aufgerichtet werden, will man nicht ein beängstigendes System von Strafen und Überwachung schaffen, um von außen kontrollieren zu können, daß jeder auch an seinem privatesten Ort so handelt, wie es ein globales Denken erfordert.

 

Man könnte diese Sorgen für übertrieben oder vielleicht für verfrüht halten, weil es soviel an ökologisch schädlichen Zuständen und Praktiken zu beseitigen gibt, bevor man die private Haushaltsführung mit neuen Verboten oder Verhaltensmaximen überziehen muss. Da man sich ja darauf verlassen kann, daß industrielle Strategien zentral von Gewinnerwartungen gesteuert werden, ist die Verteuerung von umweltschädigenden Produktionsmethoden und der Verwendung von umweltfeindlichen Materialien sicher ein probates Mittel, die ökologische Katastrophe noch lange hinauszuschieben.

 

Diese Überlegungen zielen aber auf ein tieferliegendes Problem: Wie kann eine ökologisch verantwortliche Politik auf Dauer mehrheitsfähig werden? Auch die ökologisch begründete Begrenzung profitgesteuerter Produktion, oder gerade eine solche Politik braucht in einer Demokratie stabile von der Bevölkerung getragene Mehrheiten.

 

An dem bisher diskutierten Ausschnitt der städtischen Lebensweise und der Moral wird die Frage deutlich, die sehr beunruhigend ist: Was geschieht, wenn das Überleben der Gattung Mensch gegen seine spezifische Kultur durchgesetzt werden muß, mit den emanzipatorischen Versprechen, ohne die schließlich eine Identifikation der Mitglieder der Gesellschaft mit dieser Kultur gar nicht denkbar wäre? Diese Frage ist dann bloß ärgerlich, wenn sie so mißverstanden wird, als stünde die Ökologie notwendig in Gegnerschaft zu den Emanzipationsbestrebungen des Bürgertums wie der Arbeiterbewegung. Zwar wäre das nur ein Mißverständnis, aber es genügt, daß eine Mehrheit daran glaubt, ökologische Maximen drängen zum Verzicht auf individuelle Autonomie und ein von Arbeitsmühen entlastetes Leben. Dann nämlich wird der ökologische Umbau der Gesellschaft politisch scheitern. Ökologische Forderungen wären erst mehrheitsfähig, wenn es zu spät ist, wenn die Katastrophe für alle sichtbar bereits eingetreten ist.

 

Man muß sich fragen, weshalb Aufklärung über ökologische Gefahren bisher so wenig das alltägliche und das politische Verhalten geändert hat, trotz Sellafield, Harrisburg und Tschernobyl, trotz Waldsterben und Giften in den Lebensmitteln. Das liegt zum einen sicherlich daran, daß es in den meisten Fällen gar keine Wahl gab, sich anders zu verhalten, sollte nicht auf vieles verzichtet werden, was Verhaltens- und Genußmöglichkeiten erweitert hat.

 

Um dies zu ändern, bedarf es politischer Mehrheiten. Häufig aber sind nur Minderheiten betroffen. Pseudokrupp und Allergien bei Kleinkindern treffen nur Familien mit Kindern. Sie sind aber eine Minderheit. Auch leiden keineswegs alle Kinder daran, und die Ursachen sind bisher nicht eindeutig geklärt. Eine Minderheit deren Betroffenheit diffus und deren Gegner nicht klar auszumachen ist, läßt sich nur schwer politisch organisieren - und erfolgreich wäre sie noch lange nicht, wenn sie einer Allianz von sich nicht betroffen fühlender Mehrheit und mächtigen Kapitalinteressen gegenübersteht.

 

Alt ist auch das Problem der pluralistischen Demokratie, daß sich für die allgemeinsten Interessen einer Gesellschaft oder gar der Menschheit kaum Gruppen bilden lassen, die nicht sogleich an ihren inneren sekundären Interessen- unterschieden zerbrechen würden. Und woher soll die Energie für das Engagement kommen, wenn der Lohn nur die mögliche Verhinderung von wahrscheinlichen Katastrophen ist?

 

In die bestehenden Verhältnisse sind mächtige Interessen im wahrsten Sinne des Wortes investiert: Nicht nur die Produktionsanlagen der Automobil- oder der chemischen Industrie, sondern auch in die Qualifikationen und beruflichen Identitäten ihrer Beschäftigten; und nicht nur privates Kapital, sondern auch in öffentliches, etwa in die kommunale Infrastruktur und in die technischen Einrichtungen der Stadtwerke. Der Zwang geschaffener Verhältnisse, die Macht der vested interests und die Schwierigkeiten politischer Organisation erklären aber noch nicht alles.

 

Wie ist es möglich, daß ein so unsäglicher Slogan wie der von der freien Fahrt für freie Bürger, dessen zynische Verballhornung des bürgerlichen Freiheitsbegriffs einem den Atem verschlagen kann, wie ist es möglich, daß ein solcher Slogan überhaupt verfängt? Gibt es vielleicht doch mehr Gründe dafür als nur mangelnde Information und falsche Sozialisation, salopp, aber mit weniger Fremdwörtern gesagt: andere Gründe als Dummheit und schlechter Charakter? Das Automobil verspricht in wie verstellter Form auch immer - individuelle Autonomie. An diese tiefsitzende Hoffnung wird erfolgreich appelliert. Und ein solcher Appell dringt tiefer als der an die Einsicht in eine obendrein diffus bleibende Notwendigkeit, um so tiefer vielleicht, je härter die Anpassungszwänge in Beruf und Alltag werden.

 

Man muß also systematisch danach fragen, ob die Städter nicht auch gute Gründe dafür haben, an schädlichen Lebensweisen festzuhalten, nämlich ihre Hoffnungen auf individuelle Autonomie, auf Befreiung von Mühe und Arbeit. Ein ökologisch orientierter Umbau der Gesellschaft müßte diese Hoffnungen auf ein humanes Leben im hegelschen dreifachen Sinne des Wortes aufheben (bewahren, überwinden und auf eine höhere Stufe heben) - sonst wird er politisch scheitern. Die Menschheit wäre dann vor die schlechte Alternative gestellt, entweder aus der Biosphäre dieser Welt wieder zu verschwinden oder sich in einen ökologischen Autoritarismus zu flüchten, der ihr physisches Überleben sichert, aber um den Preis eines menschenwürdigen Lebens in Freiheit.

 

Das Dilemma ist nicht neu. Auch das politische Elend im "real existierenden Sozialismus" bezeugt die Unteilbarkeit menschlicher Emanzipationshoffnungen. Die alten Forderungen der Arbeiterbewegung nach einem Umsturz der kapitalistischen Gesellschaft mit dem Ziel sozialer Gerechtigkeit sind heute weitgehend diskreditiert, weil es in der Praxis nirgendwo gelungen ist, die Errungenschaften der bürgerlichen Emanzipation mit den Forderungen sozialer Gleichheit zu harmonisieren. Eine gesellschaftliche Praxis, die über das Zerschlagen kapitalistischer Strukturen hinaus die individuellen Freiheiten zerstört, kann keine breite Unterstützung finden

 

Gerade diese Unteilbarkeit gilt auch zugunsten des Ziels sozialer Gerechtigkeit. Ein ökologischer Umbau zu Lasten sozialer Gerechtigkeit wird nämlich ebenfalls scheitern.

 

Die ungleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums ist auch deshalb anscheinend immer erträglicher geworden, weil die Benachteiligten hoffen konnte, im Zuge ökonomischen Wachstums selber jenen Standard zu erreichen, den Glücklichere schon heute für sich realisiert haben. Wie will man aber einer sechsköpfigen Unterschichtfamilie den Verzicht auf eine größere Wohnung einsehbar machen, wenn der/die Single gegenüber allein über mehr Wohnfläche verfügt als sie alle zusammen?

 

Ein positives Bild von städtischem Leben, das mit ökologischen Notwendigkeiten im Einklang steht, ist offensichtlich nicht denkbar, bevor nicht die gröbsten sozialen Ungleichheiten beseitigt sind. Ohne diese Voraussetzung werden ökologisch motivierte Umbaustrategien und Verhaltensänderungen von den meisten Menschen nur als weitere Einschränkung individueller Entfaltungsmöglichkeiten erlebt, allgemein gesagt: ökonomisch begründete Restriktionen des Wachstums würden ohne diese Voraussetzung die politische Stabilität der Gesellschaft gefährden.

 

Noch in einem zweiten eher technischen Sinn können ökologische Umbaustrategien am Problem mangelnder sozialer und ökonomischer Gleichheit scheitern: Im Bereich der Ökologie sind Strafen und Verbote keine geeigneten Steuerungsmedien; die Maximen umweltbewußten Verhaltens müssen bis zu einem gewissen Grad auch verinnerlicht sein,. Das Steuerungsmedium Moral aber versagt bei jenen an den Rand der Gesellschaft Gedrängten, die sich außerhalb der gesellschaftlichen Moral fühlen, sei es, weil sie von dieser Gesellschaft eh nichts mehr erwarten und deshalb auch glauben, ihr nichts schuldig zu sein, sei es, weil sie unter Bedingungen aufwachsen mußten, die ihnen die Verinnerlichung dieser Maxime und den Erwerb des notwendigen Wissens unmöglich gemacht haben.

 

Ähnlich beschränkt sind alle Ansätze, die "umweltbewußtes Verhalten" über das Medium Geld steuern, also über den Markt erzeugen wollen. Umweltschädigendes Verhalten durch hohe Preise zu bestrafen, hat sozial und kulturell einen negativen Effekt: Bedenkenlosigkeit wird zum Privileg für diejenigen, denen die Kosten kein Problem sind. Das hat sich schon bei den Versuchen gezeigt, das Parkplatzproblem in den Innenstädten dadurch entschärfen zu wollen, daß die öffentlichen Parkangelegenheiten stark verteuert wurden. Nicht ein genereller Umstieg auf den öffentlichen Nahverkehr war das Resultat, sondern die Erleichterung der Parkplatzsuche für die Reichen.

 

Das umweltbewußte Verhalten wird so in einer Gesellschaft, in der individuelle Freiheit aufs engste mit der Kaufkraft verbunden ist, zu einem zweitklassigen, negativ stigmatisierten Verhalten deklassiert. Wer sich freiwillig so verhält, erntet höchstens ein verständnisvolles aber mitleidiges Lächeln.

 

Wie Moral bei den an den Rand der Gesellschaft Gedrängten versagen muß, so versagt Geld in einer von sozialer Ungleichheit geprägten Gesellschaft gegenüber der Oberschicht. Und leider kann man die Steuerungsmedien Geld und Moral nicht einfach addieren, im Gegenteil, sie können sich gegenseitig ausschließen. Beispielsweise waren nach der Einführung von Honoraren für das Blutspenden weniger Menschen bereit, sich Blut abnehmen zu lassen. Die Bezahlung entwertete die moralische Geste des freiwilligen Spendens, sie war aber andererseits nicht hoch genug, um die Erosion altruistischer Motive durch materielle Anreize auszugleichen. Die Honorare mußten daher drastisch erhöht werden.

 

Ein gute Umwelt wird es in einer demokratischen Gesellschaft nur zusammen mit den Werten sowohl des bürgerlichen Liberalismus wie der Arbeiterbewegung geben, nicht gegen sie, ebenso wie es eine gute Umwelt nur für alle gibt oder für niemanden.

 

Die notwendigen sozialen Veränderungen hin zu einer ökologisch verträglichen Lebensweise werden wahrscheinlich nur dann Realität, wenn sie jedem einzelnen nicht nur als notwendig, sondern auch als wünschenswert erscheinen. Wenn es nicht gelingt, ein neues Bild von einer neuen städtischen Kultur zu formulieren, das Entfaltung von Individualität, Befreiung vom Zwang zur Arbeit, soziale Gerechtigkeit und Versöhnung mit Natur umfaßt, wenn sich die Frage des Überlebens nur als Frage an Einsicht in die Notwendigkeit formulieren läßt, dann wird das ökologische Programm politisch höchstwahrscheinlich scheitern. Und dieses Scheitern kann eben auch darin bestehen, daß enttäuschte Aufklärer nach langen vergeblichen Anstrengungen sich jenem ökologischen Autoritarisimus zuwenden, der heute in der ökologischen Diskussion noch eine sektenhafte Rolle spielt - nach dem Motto: Wer solange nicht auf das Notwendige hat hören wollen, muß jetzt eben fühlen.

 

Das wäre eine Lösung, die das Überleben der Menschheit auf Kosten humaner Hoffnungen sichern würde. Aber warum sollte dann die Menschheit überleben? Der Natur wäre das gleichgültig. Sie gab es lange vor den Menschen, und sie wird auch nach ihnen weiter existieren.

 

 

 

               

 

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Max Albert, NABU Gruppe Karlsruhe  | max.albert@mail.de